"
Maria und das Wort"
Das marianische Dokument des GK 2013

Der Sinn des Schweigens.


Elija unter dem Ginsterstrauch (Utta Boxhorn)

Ein wesentlicher Teil des genannten Dokuments wird dem Thema des Schweigens gewidmet. Das Schweigen soll dabei nicht als Gegensatz zum Wort erscheinen, sondern vielmehr als eine Quelle, der das Wort entspringt und die zu einer Form des Wortes wird. Daher kann das Schweigen als ein weiterer Ausdruck der Offenbarung Gottes verstanden werden. Einen Ort dieses Schweigens Gottes sieht das Mariendokument auf dem Berg Horeb, wo Elija mit dem Fehlen der Zeichen Gottes konfrontiert wurde: Sturm, Erdbeben und Feuer lassen von Gott nichts erahnen, nur ein leises Säuseln als Wort des Schweigens macht Elija auf die Anwesenheit Gottes aufmerksam. Dieses Schweigen bewegt Elija zum Dialog, ja sogar zum Streit mit Gott, aus dem heraus für ihn ein neuer Mut, ein neuer Lebenssinn, eine neue Mission erwachsen (vgl. 1Kön 19,11ff).

Ferner reflektiert das Dokument über das unerklärliche Schweigen Gottes angesichts der Grausamkeiten, die im Laufe der Geschichte an Menschen wegen ihrer Abstammung, Religion, Kultur und ihres sozialen Standes begangen und verübt wurden. Als schreckliches Beispiel dafür wird hier die Judenverfolgung im vergangenen Jahrhundert thematisiert. Dabei wird aber betont, dass Gott mit dem Treiben der Frevler nicht einverstanden ist (vgl. Ps 50,21); Gott schweigt nicht, wenn er das Wort des Schweigens spricht. Ein anderer Ort des Schweigens ist der Kalvarienberg. Dort erlebt die Mutter Jesu auf eine andere Weise als Elija auf Horeb die Offenbarung Gottes. Nach dem johanneischen Bericht ist der Kalvarienberg kein Ort der Einsamkeit. Die Menschen sahen diesen Berg zwar als Golgota, Schädelhöhe, Ort des Todes. Offenbart wird er allerdings als Ort tiefer, lebendiger und vitaler Verbundenheiten, die durch das schweigsame göttliche Wirken möglich gemacht wurden: Messias in Verbundenheit mit denen, die unter seinem Kreuze standen; Maria in Verbundenheit mit dem Lieblingsjünger Jesu; Verbundenheit mit weiteren Frauen und Männern, die an Jesus glaubten. Die Mutter Jesu steht schweigend unter dem Kreuz ihres Sohnes. Sie antwortet auf das Schweigen Gottes mit ihrem Schweigen. Sie hadert nicht wie Elija, denn sie steht da wie eine bereits versöhnte Glaubende. Ihr Schweigen endet nicht auf Golgota. Es wird fortgesetzt in der Erfahrung der urchristlichen Gemeinde, für die der Auferstandene nicht mehr sichtbar ist. Das betende Schweigen Mariens begleitet die Erwartung des verheißenen Beistandes, des Heiligen Geistes. Als Frau der Hoffnung antwortet sie in der Liebe des wirksamen Schweigens auf die Verheißung der glorreichen Wiederkunft des Herrn und erfährt am Ende ihrer irdischen Pilgerschaft die Erfüllung ihrer Erwartung, indem sie in das Reich ihres Sohnes aufgenommen wird.

Das Mariendokument reflektiert dann über unseren Umgang mit Kreuz und Schweigen: "Unser Leben ist von vielen Schweigen erfüllt, aber nicht alle sind Ausdruck der Weisheit des Kreuzes. Es gibt tatsächlich verschiedene falsche Kreuze, die unsere Aufmerksamkeit, unseren Geist, unser Gefühlsleben, unseren Leib, unsere Beziehungen gefangennehmen (vgl. Kol 2,22-23). Die falschen Kreuze bringen statt uns selber die anderen zum Schweigen. Die Wirklichkeit ersetzen sie durch unsere vorgefasste Meinung, indem sie die Wahrheit mit den Einbildungen verdrehen und die Gewissen verwirren. Schließlich sind sie ständig auf der Suche nach einem Schuldigen, um auf ihn unsere Verantwortlichkeiten oder die Ursachen unserer spirituellen Unfruchtbarkeit zu werfen. Maria steht beim Kreuz und so ruft sie uns, Personen zu sein, die wie sie verstehen, den Weizen von der Streu zu unterscheiden. Sie lehrt uns auch, das Geheimnis der Versuchung, die das Schweigen Gottes ist, der im Gekreuzigten Mensch geworden ist, als Glaubende zu leben. Wenn wir das Schweigen Gottes als Glaubende leben, können wir von ihm zur Vaterschaft/Mutterschaft geführt werden, die nicht aus dem Fleisch und dem Blut, sondern von oben, vom Geist stammt. Sicher kann das Schweigen Gottes auch auf dem Glaubenden lasten. Der Weg des Christen verläuft in jeder Zeit und in jeder Kultur im Dunkel des Glaubens. Gleichzeitig aber ist die Mühe des Glaubens auch die Erfahrung der Freude, ein Glaubender zu sein. Es ist die Freude derer, die wissen, nicht für das Nichts des Todes, sondern für die Glückseligkeit Gottes im ewigen Leben bestimmt zu sein."

fr. Fero M. Bachorík OSM